Annette Herzog: Ein Halstuch voller Lügen
1984. Sanne lebt mit ihrer Mutter und dem kleinen Bruder in der DDR. Gerade hat die Mutter ihren Partner in Thüringen verlassen und ist mit den Kindern nach Ostberlin aufgebrochen. Sie hat gehört, dass man im dort herrschenden Wohnungsmangel einfach eine leerstehende Wohnung besetzen und, wenn man einige Monate die fiktive Miete überweist, dort bleiben kann. Sanne stirbt zwar 1000 Tode, als ihre Mutter die Wohnungstür aufbricht, aber es funktioniert. Die kleine Familie hat eine neue Heimat, die neuen Nachbarn unterstützen sie. Sanne findet zum ersten Mal in ihrem Leben eine beste Freundin in der Schule, und sie will nur eines: Sich zugehörig fühlen, sein wie alle anderen. Dazu gehört auch, Pionier zu sein. Sannes Mutter hat ihr dies immer verboten, aber Sanne hat heimlich ein rotes Halstuch besorgt und tut nun in der Schule so, als sei sie natürlich ein junger Pionier. Eine Lüge, die für Sanne immer größer und schwieriger aufrecht zu erhalten sein wird. Ich finde es extrem wichtig, dass unsere Kinder auch diesen Teil der deutschen Geschichte ganz selbstverständlich kennen. Die DDR gehört schließlich dazu! Großartig, dass Sannes Problem für jedes Kind nachvollziehbar ist, dass man DDR-Alltagsleben kennenlernt, ohne politisch-moralischen Zeigefinger. Für Menschen ab 10 Jahren. (SL)